Nach ein paar entspannten Tagen in den Fan Mountains brechen wir nach Dushanbe auf. Die Hauptstadt Tadschikistans liegt ca. 240 Kilometer entfernt, für die wir allerdings eher fünf Stunden einrechnen sollten. Irgendwo soll die Hauptstraße aus dem Norden Tadschikistans Richtung Dushanbe durch den berühmt berüchtigen „Tunnel of Death“ führen. Seinen schlechten Ruf verdankt der Tunnel den Erbauern, die ihn in mehr als schlechtem Zustand hinterließen. Fehlendes Licht, von der Decke tropfendes Wasser, das sich in den riesigen Schlaglöchern sammelt und aus dem Boden ragende Metallteile versetzen vor allem Rad- und Motorradfahrer in Angst und Schrecken. Kommt es zum Stau, bedrohen einen die Abgase als lautloser Killer – Belüftung ist hier natürlich ebenfalls Fehlanzeige.
Nunja, im Internet findet man nur die Horrorgeschichten. Unsere Reifen sollten einiges wegstecken können und auf einen Stau hoffen wir einfach mal nicht. Das Erwartete bleibt dann aber aus. Stattdessen überrascht uns ein gut beleuchteter Tunnel mit verhältnismäßig gutem Asphalt. Es ist auch kein Wasser sichbar, das von der Decke tropft. Wir sind irgendwie schon fast enttäuscht. Aber es ist doch auch schön zu sehen, dass sich etwas getan hat. Wir erfahren, dass die iranische Baufirma nachgelegt und den Tunnel fertiggestellt hat. Es ist also wieder einmal wie so häufig: Nicht gemotzt ist Lob genug. Über den mittlerweile guten Zustand des Tunnels schreibt niemand. Inzwischen haben Celine und Raphael bei iOverlander den Status des Tunnels aktualisiert.
Wir treffen kurz hinter dem Tunnel einige Motorradfahrer mit niederländischen Kennzeichen. Die vier Freunde drehen eine große Runde über den Pamir zurück nach Europa und sind dabei wesentlich schneller unterwegs als wir. Auf den letzten Kilometern nach Dushanbe fahren sie uns natürlich davon, wir treffen uns jedoch alle wieder im Green House Hostel. Die bekannte Anlaufstelle für Fernreisende ist schon randvoll, als wir ankommen. Die Motorräder müssen zusammenrücken, damit wir noch in den Innenhof passen. Kurze Zeit später kommen Agnes und Johan noch dazu und füllen den Innenhof endgültig bis auf den letzten Zentimeter. Celine und Raphael müssen vor dem Tor stehen. Die Stimmung ist super und wir verbringen drei entspannte Tage hier. Inzwischen wird deutlich, dass die Fahrradfahrer auf dem Pamir wirklich in der Überzahl sind. So viele Fahrradreisende haben wir bisher nirgends getroffen. Für Frederik bieten sich natürlich wieder viele interessante Gespräche.
Nach drei Tagen wird es aber Zeit. Das Hostel wirkt plötzlich wie verlassen und wir machen uns mit Celine und Raphael auf den Weg Richtung Pamir. Agnes und Johan müssen noch ein paar Ersatzteile einbauen lassen, wollen uns dann aber auch folgen. Wir füllen wieder einmal die Vorräte auf – hier gibt es endlich auch wieder viele bekannte Produkte aus der Heimat. Auch der Dieselvorrat wird maximal aufgestockt, denn die Kraftstoffqualität soll auf dem Pamir stark nachlassen. Danach fahren wir die ersten 80 Kilometer aus der Stadt und suchen uns einen schönen Stellplatz am Nurek Reservoir.
Von hier aus möchten wir am nächsten Tag eigentlich schon ein ganzes Stück an der afghanischen Grenze entlang fahren und dort den nächsten Stellplatz erreichen. Agnes und Johan holen uns gegen Mittag ein, als wir Pause machen. Danach kommt es jedoch anders als geplant. Kurz bevor wir die afghanische Grenze erreichen, versperrt ein großer Erdrutsch die Straße. Bei Sprengungen am Vormittag ist ganz offensichtlich etwas schief gelaufen. Als wir ankommen, rutschen immer noch Steine nach und das weitere Vorgehen ist unklar. Blöder Weise nehmen wir diese südliche Route unter anderem, da die nördlicher gelegene Verbindung zum Pamir wegen Brückenschäden gesperrt ist. Im Laufe des Nachmittags fangen die Arbeiter dann aber doch mit dem Räumen der Straße an und wir können die Stelle gegen acht Uhr abends nach fünf Stunden Wartezeit passieren. Inzwischen ist es schon dunkel geworden und wir suchen uns noch auf der Passstraße kurz vor Erreichen des Tals einen Stellplatz. Hier befindet sich eine Herberge noch im Rohbau. Wir dürfen uns hinter das Gebäude stellen, kaufen dem Inhaber einige Flaschen Bier ab und genießen das ersten Abendessen mit Blick auf Afghanistan.
Den geplanten Stellplatz vom Vortrag erreichen wir dann am nächsten Mittag. Der erwartete Wasserfall entpuppt sich allerdings als kleines Rinnsal, das neben die Straße plätschert. Da haben wir mit unserem Blick in die Berge heute Morgen schöner gestanden. Der Straßenzustand ist mäßig, Asphalt eher Ausnahme, als die Regel. Aber so haben wir uns das auch vorgestellt. Endlich gibt es mal einige hundert Kilometer Piste unter die Reifen. Die Straße führt durch das Tal, dass der Fluss Panj im Laufe der Zeit gegraben hat. Er markiert die Grenze zu Afghanistan. So fahren wir immer mit Blick auf die atemberaubende Landschaft in dem Land, das wir im Westen nur aus der Presse kennen und mit Krieg verbinden. Wir können leider nur bis zu den Dörfern auf der anderen Flussseite schauen, dahinter ragen die Berge in die Höhe. Das Land scheint fruchtbarer zu sein, als hier bei uns auf der tadschikischen Seite. Rund um die Dörfer sind die Felder schön angelegt und häufig durch Steinmauern von einander getrennt. Teilweise wundern wir uns, in was für steilen Hängen dort Felder bestellt werden. Ein schmaler Weg, teilweise wohl kaum mit mehr als einem Motorrad befahrbar, führt fast durchgängig auf der anderen Uferseite entlang und verbindet die Dörfer miteinander. Immer wieder sehen wir dort jemanden auf seinem Motorrad fahren. Autos sieht man nur selten. Am Nachmittag sinkt unsere Motivation noch wesentlich weiter zu fahren. Wir stellen uns auf einen ruhigen Flecken unterhalb der Straße mit Blick auf den Fluss und ein Dorf.
Die Piste verändert sich nicht wirklich, wir genießen weiter den Blick in die Berge und hinüber zu den Dörfern. Der Pfad auf der anderen Flussseite verläuft immer wieder bedrohlich nah an der Wasseroberfläche entlang, Zwischendurch sehen wir einmal einige Männer, die ihre Motorräder durchs Wasser schieben. Gegen Nachmittag dann sehen wir, wie die Straße in schwerer Knochenarbeit entsteht. Die Arbeiter stehen im Fels und arbeiten dem Presslufthämmern eine halbe Röhre für die Straße heraus. Wie sie dorthin gekommen sind, ist uns schleierhaft. Ein Zugang scheint nur über den Berg möglich zu sein, der jedoch steil ansteigt.
Für unseren heutigen Stellplatz biegen wir in ein Seitental ab. Nach ca. 2/3 der Strecke in diesem Tal platzt Raphael und Celine ein Reifen. Da wir zufällig neben einem kleinen Stückchen Land stehen, das sich als Stellplatz anbietet, bleiben wir hier über Nacht stehen. Am nächsten Morgen berichten uns andere Reisende, die aus dem Tal kommen, dass unser geplanter Stellplatz noch recht feucht war. Vielleicht ist es für manche Plätze doch immer noch zu früh in der Saison. Wir haben also wieder einmal Glück gehabt mit unserer erzwungenen Stellplatzwahl.
Bis Khorog sind es nur noch 80 Kilometer und wir haben einiges zu erledigen. Raphael muss einen neuen Reifen organisieren, da der alte komplett zerstört ist. Außerdem läuft bei uns allen in wenigen Tagen das Zolldokument für die Fahrzeuge ab. (Obwohl wir in Tadschikistan inzwischen sehr einfach online unser Visum für 45 Tage beantragen können, erhalten wir für die Fahrzeuge an der Grenze nur 15 Tage.) Die entsprechenden Dokumente soll man hier verlängern lassen können. Dazu müssen wir auf das Gelände, das die einzige Brücke nach Afghanistan weit und breit umschließt. Das dortige Zollbüro ist für unser Anliegen zuständig, der Zöllner allerdings alles andere als hilfsbereit. Nachdem wir ihm klar machen, dass wir kein Bestechungsgeld zahlen werden, sondern er einfach seinen Job machen soll, wird die Angelegenheit etwas zäh. Schlussendlich braucht er für jeden von uns 30-40 Minuten. Bei drei Fahrzeugen, dauert das natürlich etwas. Von hier fahren wir zur Pamir Lodge, der nächsten bekannten Anlaufstelle für Reisende und ruhen uns erst einmal aus.
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